Große Abenteuer

Warten statt Wandern: Erzwungene Entschleunigung im Yosemite National Park

Blick im Yosemite National Park vom Tunnel View Point.

Es sollte eines der Highlights der USA-Reise sein: Der Yosemite National Park. Drei volle Tage in beeindruckender Naturkulisse mit Wanderungen durch spektakuläre Landschaften und Camping in der Wildnis. Wir wollten tiefer vordringen, als nur bis zu den Scenic Viewpoints von El Capitan, dem Half Dome oder den Yosemite Falls. Uns wirklich Zeit nehmen, um den Park zu erkunden, auch wenn dazu sicherlich mehr als drei Tage notwendig wären. Und dann kam doch alles anders.

Warum unser Trip in den Yosemite National Park zu den Abenteuern zählt, bei denen einiges schief läuft, was das mit Entschleunigung zu tun hat und warum es doch noch ein Happy End gab, findet ihr gleich heraus.

Blick im Yosemite National Park vom Tunnel View Point.
Tunnel View im Yosemite National Park

Sehnsuchtsziel Yosemite

Der Yosemite National Park ist wohl einer der berühmtesten National Parks der USA und der ganzen Welt. Seit seiner Gründung im Jahr 1855 zieht er Reisende aus allen Ländern in seinen Bann. Und auch wir waren hier keine Ausnahme. Auf über 3.000 Quadratkilometern beeindruckende Wasserfälle, uralte Riesenmammutbäume, tiefe Täler und imposante Berge erleben? Sign me up! Was ich bisher nur von Fotos kannte, das wollte ich endlich mit meinen eigenen Augen sehen.

Von Anfang an stand fest, dass diese USA-Reise durch Kalifornien – und damit auch den Yosemite National Park – ein Camping-Urlaub werden sollte. Denn das ist einerseits oft günstiger als Ferienwohnungen und Hotels zu mieten. Andererseits gibt es keinen besseren Weg die Naturschönheiten der USA zu erleben und sich dabei selbst zumindest ein bisschen wild zu fühlen. Nachdem wir also unseren Camper Van gebucht hatten, musste nur noch der passende Campingplatz in der Nähe des Nationalparks gefunden werden. Easy oder?

Der frühe Vogel bekommt einen Campingplatz, der späte sieht zu wo er bleibt

Leider nicht so ganz. Denn Camping direkt im Yosemite Valley, dem Herzen des National Parks, ist praktisch nahezu unmöglich. Nicht, weil es keine Campingplätze gäbe. Sondern weil es unglaublich schwer ist, einen Platz auf den wenig verfügbaren zu ergattern. Denn diese werden über ein Lotterie-Verfahren vergeben, an dem tausende von Menschen teilnehmen. Die Plätze werden ca. fünf bis 6 Monate im Voraus freigeschaltet und sind dann meist innerhalb von Minuten weg. Dazu kommt, dass ein Camping Urlaub auf einem der offiziellen Campingplätze in Yosemite National Park in der Regel nicht mit einem Camper Van möglich ist. Aus Camping im wurde also schnell Camping beim Yosemite National Park. Und selbst hier gilt: Schnell sein lohnt sich, denn auch die Camping Plätze um den Park werden oft weit im Voraus gebucht.

Tipps fürs Camping im und um den Yosemite National Park

Der Nationalpark ist grundsätzlich über fünf Eingänge erreichbar: Vier auf der Westseite, welche die beliebtere Seite ist aufgrund der Nähe zum Yosemite Valley. Und den Tioga Pass Entrance auf der östlichen Seite des Parks. Überlegt euch also im Voraus, was ihr machen und sehen möchtet, denn Fahrzeiten im Park können schnell lang werden und Parkplätze sind generell rar. Sucht und bucht dann einen Camping-Platz in der Nähe des entsprechenden Eingangs.

Camping Plätze, die von den Behörden gestellt und betreut werden, sind oft deutlich günstiger als privat geführte. Dafür sind sie aber auch häufiger schnell ausgebucht und oft rudimentärer ausgestattet. Ich persönlich habe hier jedoch sehr gute Erfahrungen gemacht. Die beste Übersicht bietet die zentrale Reiseplanungsplattform der Regierung.

Prüfe die Öffnungszeiten! Je nachdem, wo der Campingplatz liegt bzw. wie hoch, kann es durchaus sein, dass dieser später öffnet als andere oder zu bestimmten Jahreszeiten noch nicht zugänglich ist, z.B. aufgrund von hohen Schneefällen, die nicht unüblich sind im und um den Yosemite National Park.

Von der Kunst, die falsche Wahl getroffen zu haben

Da wir vor allem Wandern gehen und etwas abseits vom Trubel des Yosemite Valley die Natur genießen wollten, hatten wir uns entschieden einen Platz auf der Seite des Tioga Pass Entrance zu buchen. Die Auswahl war hier noch deutlich größer, Wandergebiete am besten zu erreichen und auch für Aktivitäten wie Horse Back Riding gab es einige Angebote. Der Campingplatz auf dem French Camp Campground im Inyo National Forest war hier perfekt: Schön gelegen, günstig und mit einer noch annehmbaren Fahrzeit zum Park.

Dass der Tioga Pass zu der Zeit noch komplett zugeschneit und vereist war, machte uns keine Sorgen. Schließlich würden wir erst im Juli dort sein und der Pass wurde bisher fast immer im Mai eröffnet. Und genau das ist der Moment, in dem ihr euch die Stimme aus dem Off vorstellen könnt, die sagt: „Aber es sollte anders kommen.“.

Das war bereits der erste Moment dieser Reise, in der leider nicht alles nach Plan geklappt hat. Denn je näher der Urlaub kam, umso nervöser verfolgten ich die Updates rund um die Eröffnung des Tioga Pass, die immer noch nicht feststand. Historisch hohe Schneemengen. Die Räumfahrzeuge kommen nur schwer voran. Das ungute Gefühl machte sich immer mehr breit. Was, wenn es doch nicht klappt? Wenn der Pass nicht rechtzeitig öffnen wird? Sollten ich umbuchen? Aber noch sind es doch acht Wochen. Sechs Wochen. Vier Wochen. Zwei Wochen. Und dann habe ich eingesehen: Das Risiko war zu groß, die Wahrscheinlichkeit gering, dass der Eingang offen und die Einfahrt in den National Park möglich sein würde. Fahren zu einem anderen Eingang? Vom gewählten Campingplatz faktisch unmöglich.

Zwei Wochen vor Abflug musste ich also der Tatsache ins Gesicht blicken, dass wir einen Campingplatz hatten, der sicherlich schön lag, uns nur leider für den Besuch des Yosemite Parks herzlich wenig nützlich sein würde. Es musste etwas Neues her, auf der anderen Seite des Parks. Die Seite, wo schon Monate im Voraus oft ausgebucht ist. Der Großteil der Vorfreude wich nun also Frust bei der Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Superman saves the day

An dieser Stelle muss ich ein großes Lob an meinen Mann geben, der sich der Sache annahm und nach nicht minder viel Frust einen Campingplatz in annehmbarer Nähe des Big Oak Flat Entrance gefunden hat: Die Red Tail Ranch in Groveland, welche deutlich besser ausgestattet war, als wir es ursprünglich geplant hatten, aber Spoiler: Darüber würden wir noch sehr froh sein. Fürs Erste war dieser Teil des Urlaubs also gerettet. Yosemite National Park, here we come!

Leisure Sickness oder erzwungene Entschleunigung

Angekommen sind wir auch, jedoch nicht im besten Zustand. Denn pünktlich zum Independence Day, welchen wir noch in Seattle bei meiner ehemaligen Gastfamilie verbracht hatten, wurde ich krank. Eine Erfahrung, die sicher einige von euch teilen können: Der Stress des Alltags fällt ab, das Immunsystem fährt herunter und dann kickt was auch als Leisure Sickness bezeichnet wird. Ich konnte mich zwar mit Medikamenten nach einem kurzen Tief wieder halbwegs gut fangen, aber wie es kommen musste, habe ich natürlich meinen Mann angesteckt. Und ihn hat es noch viel schlimmer erwischt, Medikamente nur bedingt geholfen. Während wir uns bereits durch San Francisco gequält hatten, waren wir nun nach langer Fahrt auf dem Campingplatz beim Yosemite National Park angekommen, aber nicht in bester Verfassung. Bis morgen würde es aber sicher besser gehen und wir konnten ja erst einmal mit einem kleinen Ausflug hin zum Merced Grove starten, wo wir Giant Sequoias ansehen wollten.

Mammutbäume und -sorgen im Merced Grove

Am nächsten Morgen ging es also früh raus. Ich fühlte mich bereits wieder deutlich besser und auch Patrick schien es besser zu gehen. In jedem Fall waren wir motiviert. Fahren würde aber erst einmal ich. Alles klar, kein Problem. Der Weg zum Park war angenehm, der Eintritt durch vorheriges Kaufen des Tickets ohne Wartezeiten erledigt und auch am Merced Grove haben wir direkt einen Parkplatz gefunden. Patrick war etwas blass, aber zuversichtlich, dass alles passen würde. Also haben wir uns – eingeschmiert mit ausreichend Sonnencreme und ausgestattet mit ausreichend Wasser – auf den Weg gemacht, um Riesenmammutbäume zu sehen. Es war heiß, aber schön und ging Großteils bergab. Wir begegneten anderen Wanderern und machten Scherze über Eichhörnchen, die uns attackierten, wann immer etwas auf uns herabfiel. Bald kamen wir an die ersten Mammutbäume und das Staunen war groß. Und Patrick wurde immer stiller. Mittlerweile jedoch nicht vor Staunen.

Da waren wir etwas zu optimistisch gewesen, denn dem Mann ging es zwischenzeitlich immer schlechter. An einem Punkt angekommen, an dem es durch umgestürzte Bäume eh nicht weiter ging, haben wir also umgedreht und uns auf den Weg zurück zum Auto gemacht. Bergauf, was leider nicht zuträglich war. Oben angekommen, theoretisch noch mit dem halben Tag vor uns, sind wir also zurück zum Campingplatz gefahren. Denn Patrick war mittlerweile so schlecht beisammen, dass ich mir wirklich große Sorgen machte. Zurück am Campingplatz hieß es für den Göttergatten dann ab ins Dachzelt und ausruhen. Und ich entschied mich mit einem Arizona Eistee zum Lesen zu setzen. Nicht, wie ich mir den ersten Tag des heiß ersehnten Yosemite Trips vorgestellt hatte, aber die Gesundheit geht schließlich vor. Frustlevel: Vorhanden, aber annehmbar.

Langeweile, Frust und warum ich mich wie der schlechteste Mensch auf Erden gefühlt habe

Jeder Mensch möchte von sich behaupten gut zu sein. Mehr auf andere als auf sich selbst zu achten. Immer verständnisvoll zu sein. Leider ist das nicht immer ganz so einfach. Nachdem wir den restlichen Tag auf dem Campingplatz verbrachten, war die Hoffnung noch groß, dass der nächste Tag besser wird. Ich hatte endlich etwas von meinem Lesestapel abarbeiten können und im Sonnenuntergang Abendessen gekocht. Doch auch am nächsten Tag ging es Patrick nicht besser. Im Gegenteil, das Fieber stieg genauso wie die Temperatur und bald schon gab es kaum ein Plätzchen im Schatten, damit er sich ausruhen konnte. Mir war damit auch klar, dass es ein weiterer Tag auf dem Campingplatz werden würde und die Hoffnung, den letzten Tag im National Park verbringen zu können, schwand auch mit jeder Stunde.

Wo ich mich sonst gefreut hätte, Zeit zum Lesen zu haben, kam nun Frust und Langeweile auf. Denn irgendwann war ich mit meinem Buch und der restlichen Zeitung durch. Und auch Netflix gab nichts mehr her, dass mich interessiert hätte. Genau genommen konnte mich gar nichts zufrieden stellen, denn ich wollte doch nur in den Park. Wandern, die Natur sehen und genießen. Dieses einmalige Erlebnis – nun ja erleben. Stattdessen saß ich auf dem Camping Platz fest, denn alleine fahren ging auch nicht, schließlich schlief Patrick im Dachzelt. Und überhaupt, warum musste er denn so krank werden? Bei mir war es doch auch recht gut vorüber gegangen. Und war es wirklich so schlimm, dass wir uns nicht zumindest ins Auto setzen und die Viewpoints anfahren konnten, um wenigstens etwas zu sehen?

Dear gentle readers, wie Lady Whitsledown schreiben würde, ihr seht nun also, warum ich in diesem Moment definitiv nicht zu den guten Menschen gezählt habe. Denn mein Frust über die verpassten Erlebnisse schlug nun voll auf meinen Mann um, der ja nun wirklich nichts dafür konnte und selbst lieber im Park gewesen wäre statt krank zu sein. Und so wechselte mein Gemüt zwischen Gereiztheit, Sorge um seine Gesundheit und den Momenten, in denen mir genau das bewusst wurde: Wie unfair es war, wütend auf ihn zu sein und dass ich doch eh nichts ändern konnte. Am Ende des zweiten Tags war ich den Tränen nahe, weil ich nicht wusste, wie ich mit diesen Gefühlen von Frust, Sorge und Scham umgehen sollte.

Shower Thoughts und Zen-Momente

Nach einer unruhigen Nacht, in der mich die Gedanken und Gefühle und die laufende Nase des Mannes schwer einschlafen ließen, war ich am dritten Tag unseres Yosemite Trips einfach nach dem Aufwachen liegen geblieben. Wir würden ja eh nicht in den Park fahren, also warum sollte ich früh aufstehen. Nachdem ich mich in Social Media verloren und ein paar Nachrichten beantwortet hatte, entschied ich duschen zu gehen.

Die Duschen auf dem Campingplatz waren warm, aber outdoor. Sprich: man konnte aus der Dusche heraus die Umgebung sehen und hören. Und so stand ich da, mutterseelenallein, denn die anderen Bewohner des Campingplatzes waren ausgeflogen. Das warme Wasser lief mir über den Rücken und das erste Mal seit Beginn des Trips hielt ich inne. Hörte Vögel singen. Wind in den Bäumen. Und wurde immer ruhiger und begann zu reflektieren. Die Wissenschaft nennt das Default Mode Network, die meisten anderen sagen dazu Shower Thoughts. Ich nenne es meinen persönlichen Zen-Moment.

Denn zum ersten Mal seit Tagen hatte ich das Gefühl meinen Urlaub wieder zu genießen, die kleinen Dinge wahrzunehmen und Anspannung los zu werden. Vor allem aber dachte ich über meine Gefühle nach und akzeptierte, dass diese da waren. Es war okay, gefrustet zu sein, schließlich hatte ich so lang von diesem Trip geträumt. Und natürlich sorgte ich mich um meinen Mann und hatte ihn ja die Tage auch bestmöglich versorgt. Doch letztendlich war ich keine Maschine, die sich aussuchen konnte zu fühlen. Und die Tatsache, dass ich den Frust auf meinen Mann übertragen hatte, machte mich eben doch nicht zu einem schlechten Menschen, sondern einfach menschlich. Viel wichtiger war, dass ich ja schon die ganze Zeit über erkannt hatte, dass es unfair war und bewusst zu entscheiden, wie ich nun damit umgehen wollte. Denn ändern konnte ich ja eh nichts.

Ende gut, alles gut?

So kam ich aus der Dusche und hatte mir in gewisser Weise selbst verziehen oder war zumindest wohlwollender mir selbst gegenüber. Der Frust war nicht weg, aber meine Entscheidung über den Umgang damit hatte sich geändert. Zurück am Auto schaute ich nach dem Mann, schnappte mir mein Kreuzworträtselheft und war bereit, den Tag so zu verbringen.

Ein Nachmittag im Yosemite Park

Doch nicht nur bei mir, sondern auch bei den Urlaubsgöttern schien sich ein Knoten gelöst zu haben. Im Laufe des Mittags war Patrick das erste Mal wieder raus aus dem Bett, vertrat sich die Füße auf dem Campingplatz und schien sichtbar besser beieinander zu sein. Als fit konnte man dies definitiv noch nicht bezeichnen, doch auch bei ihm schien die Langeweile nun so groß und das Befinden so viel besser zu sein, dass er vorschlug: Lass uns nachmittags in den Park fahren. Die Idee war nun doch den „faulen“ Touristen zu spielen und nur die Viewpoints anzufahren. Doch das würde ihn körperlich schonen und uns jederzeit die Möglichkeit geben wieder zurück zu fahren.

Und so kam sie doch wieder auf, die Freude, als wir durch die Tore des Parks fuhren und rein ins Yosemite Valley. Es war vielleicht nicht das Erlebnis, das wir geplant hatten, aber es war doch ein Erlebnis. Wir sahen den Bridalveil Fall von unten und anschließend auch vom wohl berühmtesten Viewpoints des Nationalparks, dem Tunnel View. Mit Blick auf El Capitan, den Bridalveil Fall und dem Half Dome im Hintergrund. Wir legten einen Stop im Supermarkt ein für Souvenirs und hielten an ein paar weiteren Stellen, die uns schön vorkamen.